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Ein Haus wird zum Ökohaus erst durch eine Agenda 21 Siedlung

Verschiedene Landschaftssiedlungen als Modellprojekte

Viele Bauherrn wollen ökologisch bauen. In den letzten Jahren wurden Hunderte ja Tausende von Ökohäusern gebaut, welche auch konsequent wohngesund ausgeführt wurden. Es gab im letzten Jahrzehnt fast einen Ökohaus-Boom. Die Firmen, die solche Häuser anboten, schossen fast wie Pilze aus dem Boden. Im Augenblick ist es ruhiger geworden. Das hat einerseits mit der Wirtschaftslage zu tun. Andererseits wächst aber auch das Bewusstsein, dass ein Haus, auch wenn es ökologisch gebaut wird, erst zum Ökohaus wird, wenn es im Verbund mit anderen Ökohäusern steht. Dies gilt jedenfalls, wenn man es am Leitbild der Agenda 21 misst. Dazu muss man erst einmal in das Gedächtnis zurückrufen, was die Agenda eigentlich sagt. Die meisten Menschen haben von diesen Leitlinien gehört, aber es blieb nur ein Teil hängen. Offensichtlich glauben viele, die Agenda 21 handele nur von technischer Ökologie. Das aber ist nicht der Fall. Die Agenda 21 ist ganzheitlich angelegt. Sie befasst sich mit dem ganzen Leben, weil nur bei einem solchen Ansatz ein nachhaltiges Ergebnis erzielt wird.

Da gibt es das berühmte Agenda Dreieck.

          Soziales 
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  Wirtschaft---Ökologie

Da besonders der Begriff „Soziales“ sehr ungenau und wenig bildlich ist, sollte man in den Originaltext hineinschauen, in dem das Wort sozial gar nicht vorkommt. Die erste Leitthese, die mit dem Begriff „Soziales“ gemeint ist, lautet so: „Zukunftsbeständigkeit der Gemeinwesens: Konsens über Grundwerte, gesunde Lebensbedingungen und Verteilungsgerechtigkeit...“

Gemeinschaftlichkeit

Da geht es um das Gemeinwesen. Was hat ein konventionelles Ökohaus mit dem Gemeinwesen zu tun? Jeder plant nach seinen individuellen Wünschen. Der Blick auf Gemeinschaft und Nachbarschaft ist gar nicht vorhanden. Der einzelne Bauherr sieht in unserer individualistischen Zeit meist nur sich selbst und sein Haus. Aber selbst wenn er eine große Erwartung an seine soziale und räumliche Umwelt hätte, wüsste er im Normalfall gar nicht, wo er so etwas finden könnte. Denn zu einem Gemeinwesen gehören mehrere Haushalte mit ähnlichen Wertvorstellungen.

Bei einem Ökohaus kann der Gemeinwesenaspekt der Agenda 21 nur verwirklicht werden, wenn mehrere Ökohäuser zu einer kleinen sozialen Einheit in Beziehung zueinander gebracht werden. Dadurch entsteht dann in vielerlei Hinsicht eine völlig andere Möglichkeit, die Agendaziele zu verwirklichen. Es kann von Anfang an der nachbarschaftliche Aspekt angegangen werden, in dem sich ähnlich Gesinnte zusammenfinden und über räumliche Beziehungen sprechen. Am besten funktioniert das, wenn eine Kerngruppe schon vor der Aufstellung des Bebauungsplanes am gemeinsamen Projekt mitarbeitet. Das hat bei der Ökosiedlung in Bamberg bestens funktioniert. Dort haben sich die Bauinteressenten zuerst auf das Leitbild des Stadtökologischen Manifests, das im Wesentlichen mit der Agenda 21 identisch ist, festgelegt. Dann ging die Grundstückssuche an. Eigene Bebauungspläne für solche Grundstücke haben nach etlichen Rückschlägen schließlich zum Erfolg geführt. Parallel wurden immer wieder weitere Partner für die Interessengruppe gesucht und angeworben. Dann beschloss die Siedlergruppe eine Vereinssatzung und eine privatrechtliche Gestaltsatzung. Diese Gruppe nahm auch die Planung, Finanzierung und den Bau der Gemeinschaftsgebäude in die Hand. Die Freiflächenplanung und die privatrechtlichen Genehmigungsverfahren wurden durchgeführt. Und schließlich nach Fertigstellung der Siedlung sorgt der Verein für die Kommunikation und die Belegung des Gemeinschaftsraumes.

Stärkung der Individualität

Nachbarschaftlichkeit steht nicht etwa gegen die Individualität sondern ganz im Gegenteil soll die einzelne Persönlichkeit durch die Gemeinschaft gestärkt werden. In einer Zeit, in der viele Menschen beruflich unter sozialem Stress stehen, gelingt dies nur, wenn sich der einzelne vor der Gemeinschaft in einen hochwertigen privaten Bereich zurückziehen kann. Hier wird er dann wieder die Kraft aufbauen, um auf den Mitmenschen zuzugehen.

Aus diesem Grund wird in den ganzheitlichen Agenda 21 Siedlungen jedem Wohnhaus ein einsichtsgeschützter Garten als Wohnzimmer im Freien zugeordnet. Es genügt nicht, die Vorhänge im eigenen Haus zuziehen zu können. Denn zu einem hochwertigen individuellen Bereich gehört der Wohngarten, der ähnlich wie die Wohnung der sozialen Kontrolle entzogen sein soll. Hier kann dann der einzelne unüblichen Tätigkeiten nachgehen oder sich auch in Zeiten, die nicht als Urlaubs- oder Wochenendphasen angesehen werden, wie im Urlaub benehmen. Oder er kann in seinem Garten Parties feiern, ohne dass anschließend die beteiligten Personen der Nachbarschaft Gesprächsstoff liefern. Wenn der Hausbesitzer diesen Garten verwildern lässt oder ihn ungewöhnlich gestaltet ist das ganz seine Sache. Der nachbarliche Stress den Garten immer perfekt in Ordnung zu halten, fällt jedenfalls weg. Dieser einsichtsgeschützte Garten kann durch Nebengebäude bereichert werden, denn der Wohnwert eines solchen Gartens hängt weitgehend von solchen Nebengebäuden ab. Wohnqualitäten dieser Art können in konventionellen Siedlungen praktisch nicht angeboten werden. Denn hier sind es nicht nur die Blicke der Nachbarn und Passanten, die den Garten zum öffentlichen Raum machen, sondern unsere konventionellen Nachbarschaftsregelungen können dazu führen, dass der eigene Garten durch Bäume und angrenzende Häuser zu einem Schattenloch gemacht werden. Das widerspricht der Agenda 21, welche die gesunden Lebensbedingungen an den Anfang ihrer Ziele gesetzt hat.

Wirtschaftlichkeit

Nach den Beschreibungen von Gemeinschaftlichkeit und Individualität kann der Eindruck entstehen, dass solche Lebensräume nur für Wohlhabende möglich sind. Das Gegenteil ist der Fall. Die Agenda nennt gleich am Anfang des Ziel „Verteilungsgerechtigkeit“. Und in der Tat sind Wohnungen in ganzheitlichen Agenda 21 Siedlungen kostengünstiger als in konventionellen. Ein entscheidendes Plus liegt im flächensparsamen Bauen. Denn man kann die hier geschilderten Qualitäten mit durchschnittlich halb so großen Grundstücken wie in konventionellen Siedlungen erhalten. Mit 200 qm Nettogrundstücksgröße wäre das möglich, auch wenn sich in der Praxis ein Durchschnitt von 350 qm eingestellt hat. Das ist aber immer noch wesentlich weniger als im üblichen Wohnungsbau weit und breit, bei dem die Grundstücke zwischen 500 und 900 qm liegen. Die knapperen Grundstücksgrößen reduzieren auch die Erschließungskosten und ermöglichen Nahwärmeversorgung.

Die Gemeinschaftlichkeit kann auch dazu führen, dass trotz individueller Planung gemeinsame Bauvergaben stattfinden. Bei Eigenleistung kann es gegenseitigen Rat und Hilfe geben bis dahin, dass die Gemeinschaft eine Gemeinschaftswerkstatt einrichtet. Das System der Agenda 21 Siedlungen ist als nachhaltig soziale Wohnform gedacht, bei der zusätzliche Kosteneinsparungen durch die soziale Vernetzung, durch das Freizeitverhalten und durch Kommunikation sowie gemeinschaftliches Handeln gegeben sein können. All diese Vorteile sind durch ein ökologisches Einzelhaus in eine konventionellen Siedlung nicht gegeben.

Ökologie und Wohngesundheit

Selbstverständlich sollen die einzelnen Häuser in einer Agenda 21 Siedlung ökologisch und wohngesund gebaut werden. Durch das Gesamtkonzept gibt es aber Aspekte, die mit einem isolierten Einzelhaus nicht verwirklicht werden können. Da gibt es z. B. den Aspekt einer Zertifizierung als städtebauliche Solarsiedlung. In Velburg wurde eine solche Zertifizierung durchgeführt - immerhin finanziert vom Bayerischen Staat. Das Ergebnis war eine „Sehr gute Solarsiedlung“ mit der Feststellung, dass die städtebauliche Solarqualität gegenüber der DIN um mehr als 500% übererfüllt ist. Konventionelle Siedlungen kommen auf einen wesentlich niedrigeren Wert, da hier die Beschattung durch Nachbarhäuser, durch fehlende Südausrichtung, durch Nachbarbäume und Straßenbäume in aller Regel nicht beachtet wird.

Ein weiterer Vorteil einer nachbarschaftlichen Siedlung ist die Einrichtung einer Nahwärmeversorgung. In Velburg ist diese mit Hackschnitzeln und Stromerzeugung mit dem selben System geplant. Hier wird eine innovative Technologie gebündelt, was im Einzelhaus nicht möglich wäre.

Zum Thema Wohngesundheit gehört auch die Möglichkeit, einen großen Teil des Wohnens und auch des Schlafens in den Wohngarten zu verlegen. Das beste Ökohaus entgeht immer weniger dem Elektrostress, denn wer kann heute ohne eine elektrifizierte Küche, ohne Computer, Musikanlagen, Fernseher und Telefonsysteme auskommen. Die stressfreieste Atmosphäre herrscht da immer noch im Freien. Aber im Freien kann man nur wohnen, wenn der Hausgrundriss darauf eingerichtet ist, wenn der Wohngarten geschützt ist und wenn geeignete Nebengebäude zur Verfügung stehen. Dann aber erlaubt auch unser Klima viele Zeiten des Lebens im Freien. Essen, Arbeiten, Spielen, Gartenarbeiten, Ruhen, Feiern - das alles kann gelegentlich auch in der kälteren Jahreszeit im Freien stattfinden. Da heute kaum mehr Berufstätigkeiten im Freien durchgeführt werden, ist der Ausgleich in der Freizeit besonders wichtig.

Dazu gibt es dann im Freiraum einer Agenda 21 Siedlung weitere Möglichkeiten. Denn zu diesem Konzept gehört z. B. der sogenannte Gärtengürtel, der einerseits als öffentliches Gliederungsgrün dient, in dem andererseits diejenigen, die im relativ kleinen Wohngarten zu wenig dem Hobbygärtnern nachgehen können, zusätzliche Gartenflächen günstig anpachten können. Attraktive Spazierwege im näheren Wohnumfeld und Sportmöglichkeiten erweitern noch die Bewegungsmöglichkeiten. In Bamberg haben sich diese Pachtgärten als guter Kommunikationsort heraus gestellt. Diese Gärten haben nur insgesamt eine Umfriedung, die einzelnen Pachtflächen sind aber nur durch Wege voneinander getrennt.

Zum Thema Gesundheit gehört auch der Vorteil, dass die Kinder und Jugendlichen auf allen öffentlichen Flächen ungefährdet spielen können. Denn im Innenbereich der Siedlung sind diese weitgehend autoverkehrsfrei. Man kann zwar im Bedarfsfalle an jede Haustüre heranfahren, aber da Garagen und Parkplätze an den Außenrand verlegt sind, wirkt die Innenzone als Fußgängerzone. Das reduziert natürlich auch Schadstoffe und Lärm. Auch hier muss wieder der Unterschied zu konventionellen Siedlungen angemerkt werden.

Verkehrssystem

Werfen wir gleich noch einen Blick auf das Verkehrssystem. Der Verkehr wird außen an die Siedlung herangeführt. Der Hauptplatz, die Nebenplätze und Gassen bleiben weitgehend dem Fußgänger und den spielenden Kindern vorbehalten. So haben nur die Randhäuser die Garage und die Parkplätze direkt vor der Haustüre. Wer weiter im Inneren der Siedlung wohnt, hat also meistens einen kleinen Fußweg zurückzulegen, es sei denn, er muss gerade einmal etwas direkt an die Haustüre transportieren. Der Nachteil des kleinen Fußweges wird kompensiert durch den Vorteil der Verkehrsruhe vor dem Haus. Durch diese Konstellation wird vielleicht manches Verkehrsbedürfnis zu Fuß oder mit dem Rad erledigt, wozu sonst das Auto benützt würde.

In konventionellen Siedlungen braucht eine Familie meist zwei Autos. Das dürfte auch auf die meisten Bewohnern von bisherigen Ökohäusern zutreffen, denn dort könnten die notwendigen Verkehrsbedürfnisse anders nicht erfüllt werden. Das ist im Grunde genommen ein sehr unökologisches System. Es ist auch unsozial, denn alle diejenigen, die aus Alters- oder Gesundheitsgründen nicht Auto fahren können, sind entweder auf die Hilfe von Angehörigen angewiesen oder ziemlich unmobil. Eine Verbesserung kann hier nur ein Zusammenschluss bringen, der im Konzept einer Agenda 21 Siedlung liegt. Durch Leihdienste kann das Zweitauto, vielleicht sogar das Erstauto eingespart werden und durch intern angebotene Fahrdienste können die Nichtautofahrer mit der Außenwelt verbunden werden. Außerdem kann eine Siedlung, in der viele aus ökologischen Gründen bereit sind ,Autofahrten einzuschränken, leichter eine Anschlussstelle für den öffentlichen Nahverkehr erlangen.

Soziale Vernetzung

Das ist ein weiterer Gemeinwesenaspekt. Soziale Vernetzung macht nicht nur das Leben in Not- und Krankheitsfällen menschlicher, sondern es gibt viele kleine Hilfen, welche die Lebensqualität erhöhen: Einkaufshilfen, Schulnachhilfe, wechselseitige Aufsicht für Kinder, wenn die Eltern einmal frei haben wollen, handwerkliche Hilfe, Computerberatung, gemeinsame Gymnastik, wechselseitige Information als Lebenshilfe etc. Gerade wenn im Konzept das Wohnen Jung und Alt enthalten ist, kann die Vernetzung für alle Beteiligten sehr hilfreich sein. In einer Siedlung, in der sich die Bewohner hinter Hecken einigeln, wird die nachbarschaftliche Kommunikation zur Ausnahme.

Mischung Wohnen und Arbeiten, Alt und Jung Die reinen Wohngebiete sind praktisch seit hundert Jahren die normale Wohnumwelt. Das hat zu sehr eintönigen Strukturen geführt. Es konnte auch nicht für jede Hauslage eine bestmögliche Funktion gefunden werden. Denn beispielsweise in der Nähe von Verkehr sind Arbeitsstätten noch sinnvoll, während dort Wohnungen einer starken Beeinträchtigung ausgesetzt würden. Oder an größeren verkehrsfreien Plätzen sind Geschosswohnungen und Gemeinschaftsgebäude günstiger als Einfamilienhäuser. Einrichtungen für Grundversorgung oder Anbindung an den öffentlichen Verkehr haben unterschiedliche Bedingungen. Durch die Mischung von Funktionen, die sich nicht stören dürfen, entsteht Abwechslung und man kann auch durch unterschiedlichen Nutzung und Dichte gestalterisch Spannung erzeugen. Durch differenzierte Nutzungen kann so ein besonders flächensparendes System entstehen, was dann dem Naturschutz und der Wirtschaftlichkeit zu gute kommt.

Wirtschaft

Eine zukunftsfähige Wirtschaft ist eines der drei Hauptziele der Agenda 21. Der Wirtschaft mag es gleichgültig sein, wo sie ihre Häuser baut. Aber je mehr sich die Vorteile von Agenda 21 Siedlungen herumsprechen, wird der eine oder andere Interessent, der in einer konventionellen Siedlung wohnt, den Entschluss fassen, in eine Agenda 21 Siedlung zu ziehen. Immer, wenn große neue Leitvorstellungen in einer Gesellschaft sich durchzusetzen beginnen, entsteht ein neuer Bauschub. Denn viele wollen sich dann an der neuen Idee beteiligen. Vielleicht werden dann auch einige überholte Baubereiche rückgebaut. Es gilt das Sprichwort: „Wer nicht mehr baut, stirbt“. In einer Gesellschaft mit einem neuen Lebensimpuls werden dann viele neue Baubedürfnisse entstehen. Darin liegt die Chance für die Wirtschaft. Denn jede Veränderung zieht Bauaufgaben nach sich. Deshalb wäre die Politik und die Wirtschaft gut beraten, wenn sie das Bauen nach den neuen Ideen der Agenda 21 mit allen Mitteln fördern würden.

Es wäre sinnvoll, das gesamte Agenda 21 Baukonzept einer Langzeitstudie zu unterziehen. Es könnte dabei heraus kommen, dass das Wohnen in einer solchen ganzheitlichen Siedlung sowohl für den einzelnen als auch für die Gesellschaft am Wirtschaftlichsten wäre. Gestärkte Selbstregulierungsprozesse entlasten die Kommunen und Sozialsysteme. Wenn die Sozialisation vom Kleinkind bis zu den Senioren besser funktioniert, wird es weniger Randprobleme geben. Unsere veränderten Familienstrukturen können das, was früher die Großfamilien, Sippen und Nachbarschaften an Sozialisation leisteten, nicht mehr erbringen. Deshalb müsste eine neue Struktur der kleinen sozialen Einheit gefördert werden. Wer auch gesellschaftlich ökologisch denkt, wird als Bauherr einen Bauort wählen, der für ihn und die Gesellschaft nachhaltig wirtschaftlich ist.

Schönheit und Harmonie

Als während der Planungsphase der Ökosiedlung Bamberg ein Genehmigungshinderniss auftauchte, erklärten alle Interessenten gleichermaßen, dass sie in keine konventionelle Siedlung einziehen würden, wenn das Projekt scheiterte. Sie brachten zum Ausdruck, dass ihnen die Schönheit und Harmonie des gesamten Wohnumfeldes ebenso wichtig ist wie das Aussehen ihres eigenen Hauses. Schließlich würden sie beim Hinausblicken aus dem Fenster, und beim Verlassen des Hauses immer die Nachbarhäuser sehen. Außerdem würden sie sich mit Ihrem sozialen und räumlichen Umfeld identifizieren wollen. Das aber ist in konventionellen Siedlungen, in denen je nach Zufall auch der schlechteste Geschmack zur Geltung kommen könne, nicht möglich. Die Erfahrung zeigt ja auch, dass sich hier oft Hässlichkeit neben Hässlichkeit reiht. Also wollten sie schon an der Erarbeitung eines gemeinsamen Gestaltkonzeptes festhalten.

Da die Planung so angelegt war, dass jeder Bauherr mit dem Architekten seiner Wahl individuell plant und auch große individuelle Freiheiten haben sollte, war es nötig, einen Weg zu finden, der Hässlichkeiten ausschließt und trotz großer Vielfalt zu einer gemeinsamen harmonischen Linie führt. Dazu wurde eine privatrechtliche Gestaltsatzung erarbeitet, welche dann auch ein privates Genehmigungssystem notwendig machte. Von allen Besuchern, Fachleuten wie Laien, wird bestätigt, dass das Ziel erreicht wurde. Es gibt keine zwei gleichen Häuser. Alle Details sind verschieden. Jeder hat eine speziell gestaltete vom Schreiner gefertigte Haustüre. Die Vorgärten und Innengärten sind verschieden. Und dennoch wirkt das Ganze wie ein Ensemble, vergleichbar mit einem schönen alten Dorf- oder Stadtkern.

So etwas lässt sich nur in einer gemeinschaftlichen Siedlung verwirklichen. Mit öffentlich rechtlichen Satzungen lassen sich die selben Ziele nicht erreichen. Im Übrigen existieren gegen wirksame Gestaltsatzungen große Widerstände im Lande. Die meisten Bauherrn haben nur an ihrem eigenen Haus gestalterisches Interesse, und wollen allein, dass ihre eigensinnigen Ideen genehmigt werden. Und wenn das alle Bauherrn wollen, entsteht ein Gestaltchaos. Im Gegensatz dazu gibt es die Bauträgersiedlungen in eintöniger und steriler Einheitlichkeit, bei der die individuelle Persönlichkeit nicht zum Ausdruck kommt.

Man sagt oft, Schönheit wäre eine reine private Geschmackssache. Genau das stimmt nicht. Warum finden denn fast alle Menschen im Urlaub die alten Städte und die Urlaubslandschaften so schön. Hier existiert offensichtlich ein gemeinsamer Geschmack. Diese Übereinstimmung in Gestaltqualität könnte man auch in neuen Siedlungen haben: Vielfältig in der Gestalt, von verschiedenen Persönlichkeiten geprägt und dennoch in schöner Gesamtharmonie. Wenn wir das wollen, können wir das auch, also täglich in einem Umfeld leben, das die selben Gestaltqualitäten wie die Urlaubsorte haben und dennoch aus modernen Häusern bestehen. Bisher hat unsere Gesellschaft das nicht geschafft. Kein Mensch kommt auf die Idee, in einer modernen Wohnbausiedlung Urlaub zu machen. Voraussetzung für einen Konsens ist allerdings, dass wir wie in allen anderen Fachfragen lernbereit sind und uns gemeinsam in einen Gestaltlernprozess begeben. Es hat sich immer wieder gezeigt, dass sich Menschen je mehr sie sich mit Gestaltfragen beschäftigen in ihren Urteil je näher zueinander kommen. Der in Architektur ungeschulte Laie sollte sich nicht einbilden, dass er ohne Vorbereitung Gestaltfachmann ist. Er kann es aber in einer Gemeinschaft mit anderen Laien und Fachleuten, die ebenso um gute Gestalt ringen, relativ schnell werden. Deshalb ist auch hier die Gemeinschaft ein Weg zur Qualität.

Jede Siedlung ein unverwechselbares Original

Ich habe gerade die 18. Agenda 21 Siedlungsplanung fertiggestellt. Wer die Angst hat, mit dem neuen Leitbild würden wieder einmal Einheitssiedlungen entstehen, sollte sich einmal die 18 verschiedenen Siedlungsplanungen durchsehen. Er würde dann feststellen, dass diese alle so verschieden sind, wie beispielsweise die schönen alten Stadtkerne unseres Landes verschieden sind. Jede Siedlung besitzt seine eigene Atmosphäre. Das liegt daran, dass diese Siedlungen sehr sensibel auf die vorhandene Situation eingehen, dass es unterschiedliche Programme beispielsweise für Wohn- und Arbeitsstätten gibt, dass die Altersstruktur der Beteiligten verschieden ist etc. Außerdem werden durch die Beteiligung der Betroffenen unterschiedliche Vorstellungen eingebracht. Das Wohnen in der Einheitsschachtel kann nie das Ziel von Baukultur sein. Sondern in der Menschheit sind immer dann nachhaltig gute Lösungen entstanden, wenn es gelang, der Gemeinschaftlichkeit den gleichen Rang einzuräumen wie den individuellen Wünschen. In der ersten gebauten ganzheitlichen Ökosiedlung (Cherbonhof Bamberg) gibt es keine zwei gleichen Häuser. Und dennoch wirkt das Ganze wie aus einem Guss.

Schlussbemerkung

Die Argumente sollten zeigen, dass man von einem Ökohaus eigentlich erst sprechen kann, wenn es im Verbund mit anderen geplant ist und so den Zielen der Agenda 21 nahe kommt. Es gibt rational keine Gründe, welche gegen den Bau von Agenda 21 Siedlungen an jedem Ort sprechen würden. Denn Gemeinwesen und Wohnqualität, Wirtschaftlichkeit und Ökologie werden in gleichem Maße gefördert. Auch bei der Weiterentwicklung vorhandener Baubereiche kann das gesamte Zielspektrum der Agenda 21 dienen, auch wenn man in Altbaubereichen mehr Kompromisse machen muss. Neubauprojekte haben den Vorteil, dass sie modellhaft erstellt werden können, also so, wie man sich einen idealen Lebensraum vorstellt.  rauf 

Beratzhausen 19. Oktober 2002